Manchmal
fragt man sich, warum keine anderen Radtourer auf der Strasse sind: Bestes
Wetter, kaum Wind, wunderschöne Natur um uns herum – was gibt
es Schöneres. Ungewöhnlich vielleicht der Schnee auf den Feldern,
die verharschten Eisstücke auf den Radwegen und die Menschen, die
vor Klink und Waren auf der Müritz
über das Eis wandern. Es ist Winter und deshalb sind wir mit unseren
voll bepackten Rädern allein auf den perfekt ausgeschilderten Radwegen
unterwegs.
Als wir den Startpunkt noch in Sichtweite haben, bricht ein Fußhaken
und ein Teil der Gepäcktasche hält nur unwesentlich länger:
der Kunststoff scheint auf diese Temperaturen nicht recht eingestellt
zu sein.
Wir umfahren in diesem Jahr die Müritz Richtung Süden und radeln
auf kleinen Strassen durch die Seelandschaft. Häufig sind es „Fahrradstrassen“,
die speziell für die vielen Radler in dieser Region angelegt wurden.
Im Sommer sicher ein Traum, im Winter versuchen wir in den Spurrillen
der Autos das Gleichgewicht zu halten. Das gelingt mir nicht immer, da
mein Vorderreifen nur sehr wenig Profil hat. Das ist gut für Touren
auf der Strasse, aber von Nachteil auf Eis- und Schneepisten. So steige
ich mehrfach unfreiwillig ab. Kurz vor dem Fehrlingsee diskutieren mein
Freund und ich angeregt
die Weltlage, als mein Vorderrad plötzlich bei recht hoher Geschwindigkeit
wegrutscht. Ich springe über den Lenker, dass Rad fällt hin
und ich laufe durch den Schnee neben dem Rad meines Freundes weiter, um
den begonnenen Satz zu beenden. „Dazu hättest du aber nicht
absteigen müssen“, ist die lässige Antwort. Die Halterung
der Lenkertasche ist bei dieser Aktion leider gebrochen, aber das lässt
sich provisorisch beheben.
Während es von Waren an Klink, Röbel und Buchholz
in Richtung Schwarz langsam nach Osten geht, genießen
wir die fast leeren Strassen und Wege. Selbst Autofahrer gibt es kaum
in dieser Gegend und Jahreszeit.
Ursprünglich wollten wir nur die Eiszeitroute (www.eiszeitroute.com)
entlang fahren, ein gut ausgeschilderter Fernradweg zu vorgeschichtlicher
Thematik. Diese Strecke haben wir durch Teile der Seen-Radtour
und später des Radfernwegs Berlin-Kopenhagen ergänzt.
Die erste Nacht verbringen wir unweit des Labussees.
Wir finden einen Tisch und Bänke, neben denen sich hervorragend ein
Zelt aufschlagen lässt. Bei diesen Temperaturen ist ein Lagerfeuer
am Abend natürlich Pflicht und immer wieder freuen wir uns daran,
wie relativ leicht es doch in Mecklenburg-Vorpommern ist, einen abgelegenen
und schönen Zeltplatz zu finden. Es ist bereits unsere fünfte
Wintertour in diesem Bundesland, und immer haben wir eine Übernachtungsmöglichkeit
gefunden.
Nach einem kurzen Snack zum Frühstück radeln wir nach Fürstenberg.
Dort erwartet uns so manche
Prachtstrasse, die wir so nicht vermutet hätten. Am östlichen
Ortsausgang besuchen wir das ehemalige Frauen-KZ Ravensbrück
und besichtigen kurz die Ausstellung. Mittlerweile duften wir gut geräuchert
und in warmen Räumen bricht uns leicht der Schweiß aus.
Auf dem Radfernweg Berlin-Kopenhagen geht es weiter.
Es ist wirklich beeindruckend, wie dieser Radweg gepflegt wird und wie
er angelegt wurde: Ein Großteil (95%) sind asphaltierte Strecke
(unter dem Schnee) und an vielen Stellen war der Radweg vom Schnee beräumt!
Während die schmale Strasse selbst für Autos kaum zu befahren
ist, kam auf den Radwegen der Schneepflug zum Einsatz! Kaum zu glauben,
aber das haben wir natürlich genossen. So fahren wir länger
auf diesem herrlichen Weg, als eigentlich geplant. Bis südlich vor
Templin führt uns unsere 95 km lange Etappe. Dort
finden wir in der Dämmerung einen ausgezeichneten Lagerplatz.
Allerdings arbeiten wir nach dieser körperlichen Anstrengung satte
2 Stunden daran, ein Feuer in Gang zu bekommen. Wir denken an Verschwörung
und versteckte Kameras, aber wir haben beide stundenlang damit zu tun,
die erst aufgetauten, dann mit Wasser voll gesogenen und wieder gefrorenen
Holzstücke in Flammen aufgehen zu lassen. Da helfen weder Brennspiritus
noch der alte Trappertrick mit der Kerze. Unglaublich, das ist Waldbrandgefahrenstufe
minus 10!
Nach ewigem Pusten und Fächeln brennt irgendwann ein Feuer. Im Anschluss
gilt es zu kochen, das Zelt aufzubauen und sich etwas zu erholen. Wir
sind froh, als wir gegen Mitternacht in unseren Schlafsäcken zusammengerollt
einschlafen. Offensichtlich von Menschen des anderen Seeufers alarmierte
Polizei kommt nachts um 2 Uhr vorbei, um zu schauen, dass der Wald nicht
abbrennt, lässt uns aber ohne ein Wort weiterschlafen. Das Feuer
haben wir natürlich vorher gelöscht, aber vermutlich haben die
Ordnungshüter stundenlang gebraucht, um unseren Lagerplatz ausfindig
zu machen. Auf
dem Weg von Templin über Boitzenburg
in den Naturpark Feldberger Seenlandschaft können
wir aufgrund von Nebel kaum etwas sehen. Wohl aber bemerken wir, das es
hier recht hügelig zugeht. Leider verzieht sich der Nebel auch nicht,
als wir weiter Richtung Westen nach Neustrelitz radeln.
Dabei treffen wir immer wieder auf die Eiszeit- und Seenradweg-Route.
Traumhafte Wege, die man ohne die entsprechende Ausschilderung nie finden
würde. Wir radeln durch tief verschneite Wälder, an Seen vorbei
auf Strecken, die kaum von Autos genutzt werden. Beste Radtouren-Bedingungen.
Am Tage sind es immer um die 0 Grad Celsius, nachts geht es auch mal bis
- 8° C runter. Wir haben uns daran schnell gewöhnt und sind immer
wieder erstaunt, wie anpassungsfähig der menschliche Organismus ist.
Was nicht heißen soll, dass Reifenflicken unter diesen Bedingungen
besonders Spaß macht. Aber als aus meinem Reifen die Luft entweicht,
ahne ich, dass ich darum nicht herumkommen werde. Das Felgenband hat sich
an einer Stelle durchgescheuert! So sitze ich neben der Strasse im Schnee
und tausche den Schlauch aus.
Wir fahren noch fast um den Useriner See herum, als
ein abermaliges spontanes Luftdefizit in meinem
Hinterrad den Lagerplatz vorgibt. Es dämmert bereits, wir haben über
100 km auf unseren Mountainbikes zurückgelegt - da ist ein Plattfuss
eine schöne Begründung für den Feierabend. Wieder erwarten
entdecken wir einen Lagerplatz, wo bereits alte Holzreste auf die Verfeuerung
warten. Diesmal haben wir mit Grillanzündern vorgesorgt, um nicht
wieder stundenlang das Feuer bearbeiten zu müssen. Die gewonnene
Zeit kann ich nutzen, meine beiden Schläuche zu reparieren.
Am nächsten Morgen scheinen selbst die Zeltstangen zusammen gefroren
zu sein. Wir müssen die Stangen anhauchen, damit sie sich trennen
lassen. Durch den Müritz Nationalpark fahren wir
Richtung Waren zurück. Hier wählen wir ganz
kleine Wege, auf denen wir über Eis fahren. Wunderschön. Das
wir kurz vor Waren feststellen müssen, dass man Schläuche bei
Minusgraden nicht wirklich langfristig flicken kann, tut der guten Stimmung
keinen Abbruch. So genießen wir im Warener Yachthafen
ein spätes Frühstück und schauen die dick eingepackten
Touristen ermunternd an: Auch bei diesem Wetter lassen sich vorzügliche
Radtouren unternehmen.