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![]() Radtour durch Indien
Vor uns hält ein Jeep. Ein Inder springt raus und hat es offensichtlich auf uns abgesehen. Nein - jetzt nicht auch noch Kommunikation: Wo fahrt ihr hin? Wo kommt ihr her? Die Fragen beantworten wir mehrmals am Tag, immer dann, wenn wir irgendwo auf den Dörfern Pause machen und sofort von den Dorfbewohnern umringt sind. "Hallo, sind Sie aus Deutschland?" ruft er. Auf deutsch! Michael hat sich als erster gefaßt: "Ja?" "Ah, dann sind wir Landsleute. Meine Frau und ich haben 18 Jahre lang in Deutschland gelebt." Josef ist außer sich vor Freude, begrüßt uns beide mit Handschlag. Nach einem bißchen Smalltalk steht für ihn fest: Wir müssen unbedingt bei ihm wohnen. Das Angebot nehmen wir gern an. Josef schmeißt unsere Fahrräder in seinen Jeep und fährt mit uns in sein kleines Dorf Erumely, zu seinem nicht ganz unbescheidenen Haus. Reichtum tropft aus Bäumen: Kautschuk Auch hinter Josefs Haus hängen die geräucherten Kautschukmatten zum Trocknen. Wir schieben die Räder in die Garage. Theresa, Josefs Frau, tritt aus dem Haus. Sie ist ein wenig überrascht, und das nicht nur im positiven Sinn. Sie erinnert Josef daran, daß sie am nächsten Morgen um sieben Uhr in die Kirche müssen. Sie sind - wie viele in Kerala und wie alle im Dorf - Christen. Christentum als Religionenmix "Aus der Familie meines Schwagers ist eine Frau im siebten Monat schwanger. Zu diesem Zeitpunkt übergibt der Ehemann seine Frau an ihre Eltern. Dort wird sie bis zur Geburt und drei Monate danach aufgenommen und gepflegt. Erst dann kehrt sie zu ihrem Mann zurück", erklärt Theresa das bevorstehende Verabschiedungsfest. Josef unterbricht unsere saumselige Familienplauderei. Er möchte lieber über Politik reden: "Gibt's Kohl noch? Was macht die FDP?" Auf unsere Fragen nach der kommunistischen Regierung reagiert er ungehalten: "Die Politiker sind alle korrupt. Indien hat so viele natürliche Ressourcen: Gewürze, Kaffee, Tee, Marmor, Sandelholz, Kautschuk. Davon könnten wir gut leben, aber die Organisation und Vermarktung klappt nicht." Inzwischen hat Theresa aus der Jadi-Nuß und Joghurt eine Medizin für meinen Magen gemixt. Das scharfe Essen, das nichts gemein hat mit dem Essen in indischen Restaurants in Deutschland, hat meinen Magen schon seit Tagen lahmgelegt. Dieser Mix ist das Widerlichste, was ich je zu mir nehmen mußte. Aber es hilft. Vor allem deshalb haben Josef und Theresa Deutschland verlassen. Sie wollten nicht, das Lijo, ihr einziger Sohn, europäisch würde. "Ständig die Freundinnen wechseln und so ...". Sie wollen für Lijo nach indischer Sitte selbst eine Frau aussuchen, die seinem Stand und seiner Bildung ebenbürtig ist. Und Lijo wird vor der Heirat nicht viel mehr Worte mit der Auserwählten gewechselt haben als "Wie heißt du?" und "Was studierst du?" Theresa und ich ziehen uns in ein kleines Zimmer zurück. Dort zeigt sie mir, wie man eine sieben Meter lange Stoffbahn zu einem Sari bindet - der traditionellen Kleidung der indischen Frauen, die nur selten durch das Punjab-Dress (langes Oberkleid und Hose) ersetzt wird. Ich kämpfe mit dem seidenglatten Stoffungetüm. Beim zweiten Anlauf schaffe ich es schließlich, die Stoffmassen so um den Körper zu schlingen, daß es aussieht, als trüge ich Bluse, Rock und Schal. Auserwählt, wohlhabend zu heiraten Nach zwei Stunden Weg deutet der Himmel über uns den täglichen Monsunregen an. Wir halten an und kramen die Regensachen aus den Packtaschen. Und sofort sind sie da - aus dem Nichts. Kinder. Sie wirken ärmlich - nur ein Mädchen trägt SChmuck und ist etwas besser gekleidet. Sie heißt Malika, erklärt sie uns auf englisch, und diese Kinder sind ihre Brüder. Ihr Zuhause ist die Bananenblatt-Hütte dort drüben. Sie bittet uns, mit zu ihren Eltern zu kommen. Sie können kein Wort englisch und leben in großer Armut. Offensichtlich investieren die Eltern alles in Malika, damit sie einmal wohlhabend heiraten kann. Die Familie bittet - wie schon viele vor und noch viele nach ihnen - um ein Foto. Der Vater zieht sein Sonntagshemd über, und "klick" ist die ganze Familie fotografiert. Wir versprechen, Ihnen die Bilder zu schicken. Als wir weiterfahren, öffnet der Himmel erneut seine Schleusen. Wir können uns gerade noch unter ein Wellblech flüchten. Dann beginnt eine Sintflut, über die wir am nächsten Tag in der Zeitung lesen, daß sie alle Zugverbindungen im Land lahmlegt. Inzwischen brennt die Sonne wieder unerbittlich. Kilometer um Kilometer spult sich vor unseren Rädern ab. Wir fahren durch Getreide, das zum Dreschen auf der Straße liegt. Holzwagen mit riesigen Strohtürmen rumpeln an uns vorbei, gezogen von weißen Rindern mit farbig bemalten Hörnern. An den Straßenrändern sitzen in kilometerlangen Reihen Frauen und Männer, die Steine für den Straßenbau zerschlagen. Von den Feldern leuchten die farbigen Gewänder der Frauen. Wir kommen an ein Dorf. Frauen waschen an einer Pumpe unter viel Gelächter die Wäsche. Wir fragen, ob wir uns dort etwas frischmachen dürfen. Darüber müssen sie noch mehr kichern. Sie pumpen für uns aus Leibeskräften. Schön. Abends finden wir zum ersten Mal ein Hotel mit Klimaanlage. Klasse!
Bisher hatten wir in den kleinen Ortschaften nur Hotels mit Ventilator
gefunden. Ich falle wie tot aufs Bett, genieße die trockene Kühle und
freue mich auf den nächsten Tag. Wir werden mit der Fähre durch die Backwaters,
einem paradisischen Wasserlabyrinth, fahren - die Räder auf dem Dach.
Reise-InformationenAnreise mit dem RadBei der Suche nach einer günstigen Fluggesellschaft ist die Frage nach der Fahrradbeförderung wichtig, denn bei den einzelnen Airlines gibt es gewaltige Unterschiede. Zwischen 200 Mark pro Fahrrad bis zum kostenlosen Transport ist alles möglich. Zum Zeitpunkt unserer Reise beförderte "Gulf Air" Fahrräder kostenlos. Es ist empfehlenswert, die Fahrräder in festem Karton so zu verpacken, daß die Räder noch frei rollen können. Die Kartons kann man beim Radhändler bekommen. Hat man beim Rückflug keine Möglichkeit, das Fahrrad richtig zu verpacken, kann die Fluggesellschaft Probleme machen. Dann empfiehlt es sich, ein Schreiben aufzusetzen, daß man entstehende Schäden nicht der Airline anlastet. Das ist zwar ein Freibrief, aber immer noch besser, als das Rad im Ausland stehen zu lassen. Ausrüstung für das Rad Reiseziele mit dem Rad Unterwegs mit dem Rad Übernachtung und Geld Rad und Bahn
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